Mit Dr. habil Klaus-Jürgen Grün konnte die Loge Zur alten Linde einen der Vordenker der deutschen Freimaurerei gewinnen.
Sein Werdegang ist durchaus ungewöhnlich: Nach einer Ausbildung in der chemischen Industrie war er war sieben Jahre bei der Degussa beschäftigt, studierte dann bis 1987 Philosophie, Geschichte und Mathematik an der Goethe-Universität in Frankfurt, er promovierte bei Alfred Schmidt 1992 und habilitierte sich 1999. 2003 wurde er Vizepräsident des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft.
1991 wurde Klaus-Jürgen Grün in der Frankfurter Loge Zur Einigkeit als Freimaurer aufgenommen.
In seinem – auch im Vortragsstil äußert beachtenswerten Vortrag beschäftige er sich mit dem Thema: Ethik – nichts für Moralapostel.
Der 13. Neujahrsempfang war diesmal von ganz anderer Art. Klassik und Humor leiteten das Neue Jahr ein.
Claus-Dieter Clausnitzer, Kammerschauspieler, einem breiten Publikum bekannt aus dem Münsteraner Tatort, und Ingo Dannhorn, international erfolgreicher Pianist, vorgestellt vom Dortmunder Generalmusikdirektor Anton Marik, waren die Träger des Vormittags, der unter dem Motto
„Musik, die man Gernhardt“
Texte des Schriftstellers Robert Gernhardt mit klassischer Musik verband.
Wie immer war das Harenberg City Center „Schauplatz“ des Geschehens. Natürlich traf man sich zu anregenden Getränken und Gesprächen – wie eigentlich immer – in der großen Eingangshalle – und viele Dortmunder waren der Einladung gefolgt, wenngleich die stürmische Wetterlage die Tage überschattete und obgleich dies bei der Besucherzahl nicht zu spüren war.
Von anderer Art war die Veranstaltung auch deswegen, als nach der Begrüßung durch den MvSt, Arnim Schneider, diesmal der Amphisaal des Harenberg-City-Centers zum Schauplatz wurde. Der frühere Generalmusikdirektor an der Dortmunder Oper, Anton Marik, führte fachkundig in den musikalischen Teil des Programms ein: Uns stand ein vollendeter Genuss bevor.
Der Pianist Ingo Dannhorn spielte eine Auswahl von Beethoven, Chopin und Liszt.
Der literarische Teil war aber auch nicht ohne! Claus Dieter Clausnitzer vom Schauspielhaus Dortmund erfreute uns mit einer seiner hervorragenden Lesungen. Clausnitzer las Robert Gernhardt, ein überaus geistreicher und amüsanter, also lesens- und hörenswerter Autor, wie die „Leseprobe“ im Amphisaal dokumentierte.
Die Zuhörer stellten bald fest: Nicht nur die einleitende Rock’n-Roll-Sequenz trug zur offenen Atmosphäre bei, auch Max Schautzer ist einfach gewinnend, vor allem aber authentisch. Was er zu berichten und gedanklich zu entwickeln wusste, ist ihm ja selbst widerfahren: sein Sender hatte sich aus Altersgründen von ihm getrennt – einfach, weil zum einen jemand jenseits der 50, also mit „50 plus…“ nicht mehr „jugendlich schick“ ist und weil man damit einer Zuschauer- und Zuhörerschaft scheinbar nicht mehr „zugemutet“ werden kann und Einschaltquoten einbüßen könnte.
Wer das mit „50 plus….“ erfunden hat? Schautzer weiß es: der US-Sender „ABC“. Er lag vor Jahren mit seinen Einschaltquoten weit abgeschlagen hinter denen anderer US-amerikanischen Sender – und da erwies sich die Erfindung der Jugendformel „14 bis 49“ als äußerst hilfreich. Diese vom Sender definierte, eher willkürliche „Trennungslinie“ beim Alter von 49 wurde, wie sich dann zeigte, zu einer der erfolgreichsten Marketingideen, die sich förmlich zum Kopieren anbot. Und da fand sich auch schnell jemand: vor rund 20 Jahren übernahm Helmut Thoma, damals Geschäftsführer von RTL-Deutschland, diese Idee für „seinen“ Sender –, setzte mit diesem Trend auf einen Marketingerfolg in Deutschland – und traf „den Nagel auf den Kopf“.
Schautzer wörtlich: „Er wollte damit die öffentlich-rechtlichen Sender alt aussehen lassen.“ Ja, Thoma hatte tatsächlich Erfolg – natürlich zum Nachteil der über 50-jährigen, die damit gleichzeitig und – völlig trendgemäß – zum „Alteisen“ abgestempelt und medial ausgesondert wurden.
Aber: Weiterhin gilt, was Henry Ford schon wusste. „Nimm die Erfahrung und Urteilskraft der Menschen über 50 heraus aus der Welt – und es wird nicht genug übrig bleiben, um den Bestand zu sichern.“
Schautzer – als selbst Betroffener – unterstützte vor ca. elf Jahren die Kampagne des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog mit eigenen medialen Ideen. Herzog (eines seiner Zitate war „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“) hatte sich vorgenommen, in seiner Amtsperiode etwas dagegen zu tun, dass die Gesellschaft in Jung und Alt auseinanderdriftet; denn letztlich würde sich dies – wie sich auch bestätigt hat – als ein mit schwerwiegenden menschlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlich Folgen belastetes Problem entwickeln. Ein „Krieg der Generationen“, wie ein Schlagwort unheilvoll lautete, war mit Recht nicht das, was Herzog wollte. Ganz im Gegenteil.
Aber alle guten Ideen scheiterten letztlich daran, dass weder im Bundespräsidialamt, noch im eigentlich fachzuständigen Bundesfamilienministerium ein Etat für ihre Verwirklichung bestanden – und mit dem Verweis, doch bitte Sponsoren zu finden, verurteilte das Familienministerium schließlich die Aktion zum Untergang. Denn die deutsche Wirtschaft, längst auf den Jugendlichkeitszug aufgesprungen, dachte gar nicht an Sponsorengelder – denn damit hätte sie die eigenen Ziele, mediale, werbemäßige und wirtschaftliche Verjüngung am selbst gesetzten, ja trendgemäß übernommenem Altersscheitelpunkt „bis 49“ auszurichten, verraten müssen.
Aber alle guten Ideen scheiterten letztlich daran, dass weder im Bundespräsidialamt, noch im eigentlich fachzuständigen Bundesfamilienministerium ein Etat für ihre Verwirklichung bestanden – und mit dem Verweis, doch bitte Sponsoren zu finden, verurteilte das Familienministerium schließlich die Aktion zum Untergang. Denn die deutsche Wirtschaft, längst auf den Jugendlichkeitszug aufgesprungen, dachte gar nicht an Sponsorengelder – denn damit hätte sie die eigenen Ziele, mediale, werbemäßige und wirtschaftliche Verjüngung am selbst gesetzten, ja trendgemäß übernommenem Altersscheitelpunkt „bis 49“ auszurichten, verraten müssen.
Auch wenn 35 % der deutschen Unternehmen – übrigens völlig anders als die Länder Norwegen und Schweden – kaum noch jemanden über 55 sozialversicherungspflichtig beschäftigen, gewinnen die über 50jährigen als Zielgruppe in sehr differenzierter Perspektive ständig an Bedeutung. Allmählich wird der Trend zu Frühverrentung, der sogar längere Zeit subventioniert wurde, zum „Auslaufmodell“.
Mittlerweile begreifen auch junge Leute, so Schautzer, dass sie selbst die Betroffenen sind bzw. sein werden. Selbst die interviewte 23-jährige Journalistikstudentin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität kam ins Grübeln, als sie gewahr wurde, dass eine 22-jährige Mitstudentin bereits zu massiven Maßnahmen gegriffen hatte – zu Maßnahmen und Eingriffen, um einen von ihr heftigst befürchteten Alterungsprozess zu stoppen: Busenstraffung, Antifaltenmittel und sonst noch was, um auf jeden Fall jugendlich und damit sexy und konkurrenzfähig zu bleiben.
Und das Witzige ist, dass der „jugendliche“ BMW-Fahrer durchschnittlich 53, der Porschefahrer 57 und der männliche Harley-Davidson-Mann 59 Jahre alt ist und, wie Schautzer treffend bemerkte, angesichts des errechneten Durchschnittsalters von 59 durchaus auch mit 75 auf dem Sattel dieser Maschine anzutreffen ist. Witzig aber auch, dass keiner in dieser Altersgruppe als Werbefigur im Prospekt anzutreffen ist, das sind dann eher knackigen Jungtypen, die das Fahrzeug nicht bezahlen können, mit denen sich die alten aber gern „gemein machen“, ohne zu bemerken, dass sie dabei auch leicht lächerlich wirken können.
So ist das eben. Als finanzstärkere Zielgruppe sicherlich interessant (als im Bevölkerungsdurchschnitt zunehmende Altersgruppe mit ca. 50 % eines Billionen Eurovermögens beteiligt), verfügen die über 50jährigen zwar nicht über ungestüme Jugendlichkeit, wohl aber über erhebliche, der Gesellschaft, Wirtschaft und Produktivität zu Gute kommende Kompetenzen wie enorme Kaufkraft, Lebens- und Berufserfahrung, betriebsspezifisches Wissen, Urteilfähigkeit, Zuverlässigkeit, Besonnenheit, Qualitätsbewusstsein, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, positive Arbeitseinstellung, Urteilskraft und Gelassenheit. Eigenschaften, derer man sich allmählich erinnert und versucht, sie zu reaktivieren und nutzbar zu machen.
Schautzer wusste zu berichten, dass im BMW-Werk in Leipzig nunmehr wieder stärker auf diese Werte und Eigenschaften gesetzt wird, ja Menschen ab 50 eingestellt werden. Er wusste auch zu berichten, dass sich die IBM in den USA mit einem neuen, offenbar nachgefragten und damit profitablen Beratungszweig etabliert, um den Umgang mit wieder gewonnenen älteren Menschen und Arbeitnehmern zu schulen.
Ja, man muss sich auf die „neuen Alten“ einstellen. Wer heute geboren wird, so Schautzer, hat als Mann eine Lebenserwartung von 98 und als Frau von 102 Jahren. Die Sterbetafel der Versicherer peilt sogar die Altersmarke von 115 Jahren an. Nur schwach wirke sich der Gegentrend in den USA, durch Fettleibigkeit und Übergewicht ausgelöst, aus. Natürlich provoziere das Fehlen der beschworen Jugend die größten Herausforderungen des Sozialstaates. Es wird wohl kein Weg daran vorbeigehen, früher mit Arbeitstätigkeit zu beginnen, d.h. die Ausbildung zu straffen, eine längere Lebenszeit am Arbeitsplatz zu verbringen und auch stundenmäßig mehr zu leisten – durch den globalisierungsbedingten Export von Arbeit in Niedriglohnländer auch zu schlechteren Einkommenskonditionen. Denn nicht nur hier in Europa zeigt sich der Trend, dass weniger arbeitsfähiger Nachwuchs geboren wird; der Rückgang der Geburtenrate ist mit unterschiedlicher starker Ausprägung ein durchaus globales Ereignis.
Aber warum in die Ferne schweifen? Durch die Entvölkerung der neuen Bundesländer besteht auch dort kaum eine Nachwuchschance mit der Folge der Verstärkung des Alterungstrends. Nun, eine Chance bietet sich dennoch, meint Schautzer. Nicht zur Bevölkerungsverjüngung, sondern zu einer neuen, aus der trendigen 1968-er Selbstverwirklichungseuphorie in eine Selbstverantwortlichkeit übergehende Kultur, die, im Verein mit dem Ausfall staatlicher Sozialleistungen zu einer Art Wertebesinnung und neuer Lebenssinngebung findet, so dass die Familie als eine Art „Wohlfahrtsverband“ wieder entdeckt wird. Das allerdings klingt dann glücklicherweise nicht nach der viel geschmähten Vokabel „Krieg der Generationen“, die ja auf Polarisierung aufbaut. Vielmehr verheißt dies Wertekonsens und Werteteilung von Jung und Alt.
Ja, gerade die Alten stehen unter der Forderung, die ihnen aufgrund gewonnener Mehrheiten, insbesondere aber des Vorlaufs an Lebenserfahrung, hohe Verantwortung innerhalb ihres effektiven Machtzuwachses zu üben. Also geht es nicht nur um die Frage, die die „Alten“ bewegt, nämlich wie organisiere ich mein länger gewordenen Leben für mit den mir zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen für mich selbst, sondern wie gestalte ich den familiären und sozialen Dialog mit den Jüngeren? Die neue Kultur des Älterwerdens kann nur entstehen, so Schautzers Ausblick, wenn es uns gelingt, den Prozess des Älterwerdens in unsere persönlichen und sozialen Lebensmodelle zu integrieren.
Schautzer schloss unter großem Applaus mit dem weisen Zitat Albert Schweitzers:
„Du bist so jung, wie Deine Zuversicht. Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sondern ein Geisteszustand. Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit der Phantasie, Stärke der Gefühle, Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit. Alt wird man, wenn man seinen Idealen Lebewohl gesagt hat….Mit dem Verzicht auf Begeisterung runzelt die Seele, nicht die Haut.“
Michael Frey und seine Partnerin sorgen für die musikalische Untermalung
Im 150. Jahr des Bestehens der Loge, das im Herbst u.a. mit einem Festakt im Bürgersaal des Rathauses gefeiert werden sollte, hatte die Loge mit Dr. Winfried Materna, Namensgeber und Mitinhaber des bedeutendsten Dortmunder IT-Unternehmens, den ehemaligen Präsidenten der IHK Dortmund gewinnen können.
Sein Vortragsthema lautete:
„Dortmund im Umbruch – eine Region hat sich ins Siegen verliebt“.
Als Ehrengast konnte der Großmeister der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, Prof. Dr. Klaus Horneffer, begrüßt werden.
Zu ihrem 10. Jahresempfang konnte die Loge Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Ph.D., Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung und später einer der fünf Wirtschaftsweisen der Bundesregierung, zum Thema
„Einwanderungsland Deutschland – Die ökonomische und gesellschaftliche Integration von Zuwanderern – Bestandsaufnahme und Ausblick“
Der 9. Neujahrsempfang drohte ein Flop zu werden. Man hatte eigentlich mit dem ehemaligen RTL-Chef Helmut Thoma einen besonders vielversprechenden Referenten gewinnen können, doch der erschien nicht, was den Meister vom Stuhl Herbert Guntenhöner in eine große Verlegenheit stürzte.
Glücklicherweise befand sich unter den Anwesenden Prof. Dr. Otfried Dascher, Wirtschaftshistoriker, der sich spontan bereit erklärte, einen ad-hoc Vortrag über die Geschichte Dortmunds zu Zeit der Logengründung 1855 zu halten. Der Vortrag kam so gut an, dass Prof. Rascher, neben dem Oberbürgermeister, auch zum Festredner bei der Feier zum 150-jährigen Bestehen der Loge 2005 im Bürgersaal des Rathauses auserkoren wurde.
Einem philosophischen Thema widmete man sich mit dem Neujahrsempfang 2002. Privatdozent Dr. phil. habil. Klaus-Jürgen Grün, Freimaurer in Frankfurt, sprach über
„Verteidigung des Menschen angesichts des Bösen in der Welt”.
Zum 7. Neujahrsempfang der Loge lud man noch einmal Prof. Dr. Hans-Hermann Höhmann (Universität Köln und Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen) ein. In Russland war mit Vladimir Putin ein neuer junger Präsident an der Macht, von dem man sich viel versprach. Entsprechend lautete sein Thema:
„Russland zwischen Reform und Reaktion – eine Zwischenbilanz der Präsidentschaft Putin”.
Als Besonderheit ist zu vermerken, dass die Loge Zur alten Linde ihre Einladung zusammen mit der Dortmunder Frauenloge Rosengarten ausgesprochen hatte.
Der bedeutende Maler, Grafiker und Bildhauer Otmar Alt aus Hamm, dessen Plastiken sogar an der A2 zu bewundern sind, war der Festredner beim Neujahrsempfang zum Jahrtausendwechsel. Er stellte seinen Vortrag unter den Titel
„Kunst heißt ein Zeichen setzen“
und sparte nicht mit Kritik an der Freimaurerei, auf die zu antworten für den damaligen Meister vom Stuhl Arnim Schneider eine Herausforderung darstellte.
Eine Besonderheit gab es noch zu erwähnen: Der Meister vom Stuhl betrat das Rednerpult mit einer steifen Halskrause, beteuerte aber, dass das nicht zu den Besonderheiten des höchsten Logenamtes gehöre.